Disruptive Technologien, internationale, vernetzte Märkte und ein prinzipiell schneller technologischer Wandel erfordern von Unternehmen verschiedenster Branchen Flexibilität bei der Produktgestaltung. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Zeitgleich zu diesem Bedarf an Flexibilität wurden vorwiegend aus Effizienzgründen vielfach Modul- und Plattformstrategien eingeführt. Diese berücksichtigen jedoch künftige Entwicklungen und Bedarfe meist nur unzureichend. In der Folge bestehen oft wenige Möglichkeiten, um mit einem existierenden Produktangebot auf neue Einflussfaktoren geeignet zu reagieren. Die Konsequenzen sind nicht selten spektakulär.
Mit dem vorliegenden Leitfaden wollen die Autoren es Unternehmen ermöglichen, Modul- und Plattformstrategien – basierend auf antizipierten Veränderungen – in der Zukunft wirksam zu gestalten. Damit werden diese Strategien neben funktionaler, geometrischer, technischer und marktorientierter um eine wesentliche, vorwärts gerichtete Sichtweise erweitert. Umfassend erklärt der Leitfaden die hierfür notwendigen Schritte und erläutert die eingesetzten Methoden und hilfreichen Werkzeuge. Zudem zeigen die Autoren auf, wie eine erweiterte Modul- und Plattformstrategie operationalisiert und im Sinne eines Lebenszyklusmanagements wirksam überwacht und zielgerichtet angepasst werden kann.
Der vorliegende Leitfaden ist aus dem Transferprojekt T1 des Sonderforschungsbereichs SFB 768 entstanden und soll eine Anleitung zur praktischen Umsetzung in Unternehmen bieten. Er soll daher nicht nur eine einmalige Lektüre, sondern ein bedarfsbezogenes Nachschlagewerk während der kontinuierlichen Anwendung bieten. Dafür sind neben den wissenschaftlichen Grundlagen sowohl ein stringenter Anleitungsteil als auch Details zu allen erwähnten Methoden und Werkzeugen Bestandteil des Leitfadens.
Die Autoren wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und viel Erfolg bei der individuellen Umsetzung.
Garching, im Dezember 2014
Dr.-Ing. Maik Maurer
Zusammenfassung
Um auf heutigen Märkten langfristigen Erfolg zu erzielen sind Unternehmen gezwungen ihr Produktangebot aufgrund vieler Zyklen (z. B. veränderte Kunden- und Marktanforderungen, neue technologische Potentiale oder legislative Änderungen) kontinuierlich anzupassen. Gleichzeitig werden vermehrt Standardisierungsmaßnahmen zur Reduktion interner Komplexität und Kosten durchgeführt. Die Definition einer zyklengerechten Plattform mit effizient anpassbaren, flexiblen Modulen ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Der vorliegende Leitfaden schlägt eine zyklenorientierte Modul- und Plattformdenkweise für Praktiker vor. Die beschriebene Methodik unterstützt als allgemeines Vorgehen nicht nur die Erarbeitung einer Modul- und Plattformstrategie, sondern auch deren stetige Kontrolle und Anpassung. Die drei Phasen Planung der Flexibilität, Operationalisierung und Lebenszyklusmanagement umfassen Aktivitäten und Methoden aus dem Blickwinkel der strategischen Abteilungen (Top-Down, z. B. Marketing, Vertrieb) und aus der Perspektive technischer Abteilungen (Bottom-Up, z. B. Entwicklung). Die Methodik ermöglicht dadurch die gezielte Abstimmung der strategischen, marktgetriebenen und der technischen, umsetzungsorientierten Perspektive.
In der ersten Phase wird die für die Zukunft vorzusehende Flexibilität der Produkte im Produktportfolio geplant. Dafür werden einerseits zyklische Einflussfaktoren identifiziert, die Produktanpassungen nötig machen (Top-Down-Sicht); andererseits werden Produktveränderungen aus der Vergangenheit auf Bauteilebene analysiert und in die Zukunft projiziert (Bottom-Up-Sicht). Darauf aufbauend wird die über den Lebenszyklus notwendige Plattformflexibilität definiert. In der zweiten Phase der Operationalisierung werden die Änderungszyklen in Produkt-Technologie-Roadmaps festgehalten (Top-Down) sowie in einer Plattformarchitektur und in Modulbeschreibungen (Bottom-Up) implementiert. Dadurch ist die Modul- und Plattformstrategie auf strategischer und technischer Ebene definiert. Aufgrund von nicht antizipierbaren Einflüssen aus dem Umfeld verändern sich über die Zeit jedoch auch die Prämissen und Randbedingungen, die zur Gestaltung des Plattformsystems beigetragen haben. Deshalb adressiert die dritte Phase die kontinuierliche Überwachung und Anpassung des Plattformsystems entlang dessen Lebenszyklus.